„Mit 100 % synthetischen Konservierungsstoffen“ preist niemand Produkte an. Warum eigentlich, wenn sie doch drin sind? Gedanken über das kleine Wörtchen „mit“ machte sich Helmuth Santler.
„Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht.“ Aber die Geißlein hörten an der rauen Stimme, dass es der Wolf war, und machten nicht auf. Da fraß der ein großes Stück Kreide und machte damit seine Stimme fein.“
Es gab also Wolf MIT 100 % natürlicher, fair gehandelter, veganer, händisch abgebauter, tierversuchsfreier Kreide. Das kleine Wörtchen „mit“ geht neben der Lawine an lobpreisenden Adjektiven ziemlich unter, zumal die oben vorgeschlagenen Verbalbehübschungen ja nahezu beliebig ausbaufähig sind, z.B. „von der Natur inspirierte Kosmetik“, „ethisch und nachhaltig hergestellt“, „bevorzugt aus natürlichen Inhaltsstoffen“ und „unter sonstiger Verwendung sicherer Alternativen“. Oder auch, ein altgedientes Highlight aus der Werkstatt der manipulativen Wortverdreher: „aus kontrolliertem Anbau“.
Mit Wirkung auf Verkaufszahlen
Nicht alle hier angeführten Beschreibungen sind Etikettenschwindel: „Natürlich“ ist natürlich, auch „fair gehandelt“ ist ein klar definiertes Label. Der Punkt ist aber, dass die Menge des angepriesenen „mit“-Inhaltsstoffes gesetzlich nicht geregelt ist. Soll heißen: ein Produkt „mit 100 % natürlichem Lavendelöl“ enthält vielleicht gerade mal ein Tröpfchen von diesem hochwertigen Stoff – der Rest kann jedoch ganz anders aussehen. Und anders als beim bösen Wolf, der dank des Stückchens Kreide vom Grimmbass zum süß flötenden Tenor mutierte, ist dann auch die Wirkung der in Spuren zugesetzten Stoffe weitgehend vernachlässigbar, wie echt, Bio
und fair sie auch immer sein mögen. Eine „Wirkung“ sollen sie ja auch nur auf die Verkaufszahlen haben.
Die Stunde der Wahrheit schlägt bei der Lektüre der Zutatenliste (INCI): Da findet sich dann in einem Duschgel „mit 100 % natürlicher Olive“ Olivenöl an 18. Stelle der nach Menge gereihten Inhaltsstoffe, gefolgt nur noch von Duft- und Farbstoffen und Konservierungsmitteln. Selbst Mikroplastik ist mengenmäßig stärker vertreten! Konkret findet sich im Produkt weniger als 0,5% Olivenöl. Jedoch immer noch besser als eine Ginseng-Gesichtspflege, bei der der Anteil des energiespendenden Wurzelextrakts sogar unter 0,3 % liegt – Ironie Ende.
„Der eigentliche
Zweck der Übung
besteht darin, von dem
abzulenken, was sonst
noch alles drin ist.“
„Mit“ wenig davon und dafür vielem anderen
Kurz gesagt: Liest du irgendwo ein „mit“, kannst du davon ausgehen, dass da „mit“ erstens extrem gespart wird und zweitens der eigentliche Zweck der Übung darin besteht, von dem abzulenken, was sonst noch alles drin ist. Dasselbe versucht man auch mit Hinweisen, wie „zu 90 % natürlichen Ursprungs“, zu erreichen. Wenn das alles ist, was ein Produkt an Naturnähe zu bieten hat, sind wir von echter NATURkosmetik so weit entfernt wie der böse Wolf davon, Vegetarier zu werden.
Konsequent ehrliche Kosmetik (z.B. zertifizierte Biokosmetik mit Austria Bio-Garantie) hat es nicht nötig, „mit“ etwas zu sein oder zu „x %“ aus etwas zu bestehen – es sei denn, es handelt sich um eine wichtige Produktinformation, anstatt eines Täuschungsmanövers. Einmal mehr entscheidet der Blick auf die INCI-Liste: Darauf sind alle Zutaten angegeben, und jene, die zu mehr als 1 Prozent enthalten sind, müssen auch nach ihren Gewichtsanteilen gereiht werden. Findet sich die „Mit“-Zutat also weit hinten, kann man davon ausgehen, dass es sich um (sehr) geringe Mengen handelt. Und natürlich gilt auch in diesem Zusammenhang der eiserner Grundsatz: Wer nichts verbirgt, hat nichts zu verbergen.